Herbstleuchten am 10. Oktober 2025

Ludwig van Beethoven (1771 - 1827), Sextett Es-Dur, op. 81b, 1. Satz
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791), Cassation F-Dur, KV 247. "1. Lodronische Nachtmusik”
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 - 1847), Streichquintett B-Dur, op. 87
10. Oktober 2025 in Bad Kohlgrub, Vortragssaal
Konzertbeginn 19:30
Ludwig van Beethoven (1771 - 1827)
Sextett Es-Dur, op. 81b, 1. Satz
In seiner Jugend hat Beethoven das Hornspiel erlernt, und zwar bei dem Bonner Hofmusiker Simrock, dem späteren Musikverleger. Der Hornschüler hat “seinem Meister späterhin manche harte Nuß zu knacken gegeben”, wie Beethoven selbst einmal in einem Brief gestand. Oder wie die Hornistin Marie-Luise Neunecker fragt: „Warum schreibst du für Horn oft so heikel?“ Zu eben genannten “harten Nüssen” gehörte auch das Sextett für zwei Hörner und Streichquartett, in dem die Hörner durchaus die führenden Stimmen sind. Hugo Riemann charakterisiert das Werk in der überarbeiteten Beethovenbiographie von Alexander Wheelock Thayer treffend: “Es erhebt sich nirgends über Mozart, ja es kann demselben nicht gleichgestellt werden, da die Beethovensche Individualität noch keineswegs sich überragend geltend machte. Daß die Melodien schlicht gehalten, einfach sind, liegt daher in ihrer Bestimmung; daß sie wohlklingend und ausdrucksvoll sind, wird man bei Beethoven nicht anders erwarten; aber Offenbarungen einer tieferen Gemütsbewegung bieten sie nicht.“ Und trotzdem ist das Werk in den Hornstimmen voller “Schweinereien“. In Marie-Luise Neuneckers Worten: Sag mal, wie lange hattest Du Hornunterricht bei Simrock? Man erzählt, dass Du ihm das Sextett für zwei Hörner und Streicher als Freundschaftsdienst versprochen hattest, bevor Du nach Wien gingst. Ich frage mich, ob Simrock den tiefen Hornpart wirklich spielen konnte oder wolltest Du ihn damit etwas ärgern?
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Cassation F-Dur, KV 247. "1. Lodronische Nachtmusik”
Die Lodrons waren eines jener wohlhabenden, den Vergnügungen nicht abgeneigten Adelsgeschlechter, die wesentlich zum Nachtmusik-Boom des späten 18. Jahrhunderts beitrugen. Ursprünglich aus Storo in Südtirol stammend, orientierten sie sich mehr in den österreichischen Norden als nach Italien. In Salzburg gehörten sie seit dem 17. Jahrhundert zu den führenden Häusern, bei denen auch die Mozarts ein- und ausgingen. So kam es, dass Mozart im Jahre 1776 “zwei Cassationen für die Gräfin” schrieb, die sein Vater kurz die “Lodronischen Nachtmusiken” nannte. Ihre Besetzung mit solistischen Streichern und zwei Hörnern ist die des österreichischen Divertimento, ebenso die Form aus sechs Sätzen. Die Cassation beginnt mit einem munteren Allegro, das aus einer Sinfonie stammen könnte. Darauf folgen alternierend zwei langsame Sätze und zwei Menuette. Das tänzerische Rondofinale hat ausnahmsweise eine langsame Einleitung. Glanzpunkte nächtlicher Stimmungsmalerei setzte Mozart in den Mittelsätzen. Sowohl das zarte Andante grazioso des zweiten Satzes als auch das herrliche Adagio mit seiner schimmernden Triolenklangfläche aus gedämpften Streicherakkorden sorgen für den suggestiven Auftakt zu einer schönen Nacht.

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 - 1847)
Streichquintett B-Dur, op. 87
Das zweite Streichquintett von Felix Mendelssohn verdanken wir seiner Freundschaft mit dem Leipziger Konzertmeister Ferdinand David und einem Sommerurlaub, den der Komponist 1845 an den Hängen des Taunus in Bad Soden verlebte. Seit seiner Heirat mit der Frankfurterin Cécile Jeanrenaud verbrachte er die schöne Jahreszeit gerne in den Hügeln des idyllischen Ortes, wo er auch 1844 sein Violinkonzert vollendete. Zwischen diesem berühmten Konzert und dem weit seltener gespielten Quintett besteht insofern eine enge Beziehung, als beide Werke für Ferdinand David komponiert wurden. Nicht nur die Themen der beiden ersten Sätze sind einander ähnlich; die erste Geigenstimme des Quintetts scheint insgesamt in ihrem virtuosen Gestus konzerthaft behandelt. Dies war der ausdrückliche Wunsch Davids, der bei seinem Dirigenten im Januar 1844 ein Kammermusikstück in stilo moltissimo concertissimo angefordert hatte. Wie die Opuszahl zeigt, ist das Quintett dann doch erst posthum erschienen (das letzte vom Komponisten selbst publizierte Werk trägt die Opuszahl 72). Mendelssohn war mit dem Finale unzufrieden. Er ließ das Quintett für eine spätere Überarbeitung liegen, wozu es aber durch seinen plötzlichen Tod am 4. November 1847 nicht mehr kommen sollte.
Der Beginn des Allegro vivace wird vom unwiderstehlichen Elan des Hauptthemas getragen wie im Flug. Ferdinand David durfte in diesem Violinsolo über Tremolo-Klanggrund glänzen, fast so wie in einem zweiten Violinkonzert. Vom Ernst des reifen Mendelssohn zeugen dagegen die düsteren Molltriolen, die sich wie ein dunkler Schatten über das gleißende Tageslicht des Anfangs legen. Auch in das zarte, besinnliche Seitenthema mischen sie sich ein und legen sich unruhig flackernd unter die herrliche Melodie. Der gesamte restliche Satz wirkt wie ein Kampf zwischen den düsteren Triolen und Tremoli auf der einen Seite, den leuchtenden Motiven des Hauptthemas auf der anderen Seite. Letztere werden auf eine lange, beschwerliche Reise durch die Molltonarten geschickt, bevor das Hauptthema mit langem Atem wieder herangelockt und in der Reprise strahlend bestätigt wird. Zu Beginn der Coda kehren die Molltöne wieder, doch ein letzter Durchbruch fegt sie hinweg. In Mendelssohns Musik – wie in seinem Leben – scheint das optimistische Tätigsein noch einmal gesiegt und die düsteren Vorahnungen des nahen Todes vertrieben zu haben.
Gleich der zweite Satz freilich kehrt zum Moll zurück und damit zu einer Aura von Unsicherheit und Zweifel, wie sie Mendelssohns Briefe aus den letzten Lebensjahren durchziehen. Dass der Komponist nach der Vollendung des Quintetts nur noch zwei Jahre zu leben hatte, mag man dieser Musik anhören, zumindest aber sein Ringen um tieferen Ernst und neue Wege im musikalischen Ausdruck. Das für ihn so charakteristische elfenhafte Scherzo hat er hier ersetzt durch ein wehmütiges Intermezzo in Moll, ein kaum noch scherzhaftes Andante scherzando. Es handelt sich um ein „rhythmisch pikantes Gebilde, das von Akzentrückungen und Pizzicati reichlich Gebrauch macht”, wie sein Biograph Eric Werner schrieb, „einer von jenen Sätzen Mendelssohns, die jeden Musiker schon durch die Eleganz ihrer Faktur bestechen.”
Was darauf folgt, ist eine der großen Elegien der Kammermusik – vergleichbar nur mit dem f-Moll-Adagio aus Beethovens erstem „Rasumowsky-Quartett“, Opus 59 Nr. 1, an das Mendelssohn hier anknüpfte, und mit dem d-Moll-Andante aus Brahms’ zweitem Streichquintett Opus 111, das offensichtlich nach Mendelssohns Vorbild geformt wurde. Adagio e lento schrieb der Komponist über diesen Trauergesang, der sich zu großer Dramatik steigert. Das wehmütige d-Moll-Thema ist im Duktus eines Trauermarschs gehalten, ganz ähnlich dem Beethovenschen Thema in Opus 59 Nr. 1. Ein Pulsschlag aus Anapästfiguren und eine tröstliche D-Dur-Melodie als zweites Thema treten ihm gegenüber. Auch hier breiten sich unruhige Triolen über den Satz aus. Der Konflikt zwischen den Themen spitzt sich zu und wird schließlich im Sinne eines dialektischen Umschlags gelöst: Von höchster Erregung in Moll schlägt der Ausdruck plötzlich um in zarteste Entrückung in Dur – einer der unvergesslichen Momente der romantischen Kammermusik.
Die Sechzehntel-Unruhe, mit der das Finale einsetzt, erfasst nach und nach alle Instrumente. In der Coda wird sie mit einem kontrapunktischen Zug verbunden. „Es war dies eine Synthese, die Mendelssohn sehr liebte und in der er gelegentlich brillierte. Manche seiner Orgel-lmprovisationen scheinen diesen Stil gepflegt zu haben“ (Werner). Als Antwort auf die Mollschatten der ersten drei Sätze freilich wirkt dieses Finale eine Spur zu oberflächlich, was der Komponist gespürt haben muss. Sein Entschluss, den Satz zu überarbeiten, blieb wie gesagt unausgeführt. Mendelssohns Erben haben das Quintett dennoch in der vorliegenden Fassung ediert.
Text von Benedikt Strauss