Interview mit Edward Rushton

03 Jul 2017
·
von Linda Schumacher

Von England in die Schweiz

Edward Rushton
Edward Rushton und Linda Schumacher

Gut gelaunt empfängt mich der Pianist und Komponist Edward Rushton bei sich zu Hause in Zürich. Sein Wohnzimmer macht kein Geheimnis aus Rushtons Beruf. Nebst dem Flügel steht auch ein Büchergestell mit diversen Musikerbiografien und anderen musikwissenschaftlichen Publikationen im Wohnzimmer. Edward nimmt ein Buch aus dem Gestell und streckt es mir entgegen: „Das Buch hat mein Vater geschrieben.“ Julian Rushton, emeritierter Professor der University of Leeds, sei bis heute immer noch leidenschaftlicher Musikwissenschaftler.

Edward Rushton ist in einer Musikerfamilie in England aufgewachsen. In die Schweiz gekommen ist er aufgrund des Studiums. Er wollte in Zürich bei Irwin Gage studieren, weil dieser ihm von einer guten Kollegin empfohlen wurde, die ebenfalls bei ihm studiert hatte. Edward, der mittlerweile an der Musikhochschule Luzern unterrichtet, sieht aber auch Schwierigkeiten, mit denen ausländische Studierende in der Schweiz konfrontiert werden.

Faszination für die Liedbegleitung

Edward Rushton ist vielseitig interessiert. Am meisten hingezogen fühlt er sich aber zur Liedbegleitung. Liedbegleitung sei etwas sehr Komplexes. Das Wichtigste sei, dass man zuhöre, nicht in seiner eigenen Welt verharre und flexibel auf die Singstimme eingehe. Nicht nur die Auseinandersetzung mit der Literatur ist es, was ihn daran so fasziniert.

Ob denn jeder Pianist auch Liedbegleiter sein kann, möchte ich wissen. Nach einem kurzen Zögern verneint Edward und meint, einigen falle es leicht, zu spielen als ob sie malen oder sprechen, anderen falle es schwerer. Bis zu einem gewissen Punkt könne man dies noch lernen, aber manchmal klappe es einfach nicht. Es brauche eine grosse Sensibilität für die Sprache und eine Offenheit, Impulse aus dem Text oder der Stimme aufzunehmen.

Spass am Unterrichten

Edward unterrichtet gerne. Das Entdecken vom Ganzen ist es, was ihm Spass macht. Das Klavierspiel zu erlernen stellt dabei nur einen kleinen Teil des Unterrichts dar. Vielmehr geht es darum, sich Repertoire anzueignen und sich dann in ein gewisses Lied zu vertiefen. Die Dynamik zwischen Wort und Musik zu erarbeiten und somit neue Seiten von sich selbst zu entdecken findet Edward extrem spannend. Die Geduld ist dabei eines der wichtigsten Merkmale, die er als Dozent mitbringen muss. Dies zeigt sich vor allem bei Krisen seitens seiner Studierenden. Es spielt keine Rolle, ob es persönliche oder verletzungsbedingte Krisen sind. Edward ist der Meinung, dass sich die Studierenden in einer solchen Situation Zeit gönnen sollten, um die Krise zu überwinden. Zudem sieht er jede Krise als Bereicherung, auch wenn es in diesem Moment nicht gerade danach ausschaut.

Anekdoten aus dem Musikerleben

Nicht nur über Krisen und schwierige Zeiten kann Edward Geschichten erzählen. Ihm kommen spontan auch lustige Ereignisse aus seiner eigenen Musikerkarriere in den Sinn. Lachend erzählt er beispielsweise von einem Konzert, bei dem plötzlich der Flügel ins Rollen kam und sich, während er spielte, von ihm entfernte. Die Situation hat ihn überrascht, aber stressen liess er sich dadurch nicht. Mit dem Stuhl sei er eben nachgerutscht, schmunzelt er. Er hätte einfach weitergespielt und sich nichts anmerken lassen, wenn da nicht der Notenblätterer gewesen wäre, der sich vor Lachen kaum mehr halten konnte.

Und da kommt ihm gleich die nächste Anekdote in den Sinn.

Über Meisterkurse

Meisterkurse würde Edward jedem Musiker empfehlen. Man bekomme sehr schnell sehr viele Impulse von einem anderen Dozenten und könne unheimlich viel profitieren. Zudem lerne man an solchen Kursen immer wieder neue Leute kennen und könne neue Kontakte knüpfen, was als Musiker sehr wichtig sei. Auch Edward hat Meisterkurse u.a. bei Jeffrey Parsons oder Roger Vignoles besucht. Letzterer nennt er, nebst Gerald Moor, auch als sein Vorbild.

Edward kommt dieses Jahr nicht das erste Mal als Dozent für Liedbegleitung nach Bad Kohlgrub. Er kennt sich schon ein wenig aus und freut sich bereits jetzt auf die schöne Umgebung. Das Dorf sei klein, aber sehr idyllisch. Wenn er Zeit hat, möchte er weitere geheime Ecken entdecken, durch das Dorf und den Wald spazieren. Ob die Studierenden ihm dazu genügend Raum lassen, wird sich zeigen.   

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